Wie diverse Funde belegen, ist der Petersberg seit der Jungsteinzeit besiedelt. Ein Schreiben von Papst Zacharias aus dem Jahre 742 erwähnt den Ort Erfurt mit einer „urbs“, einer befestigten Fluchtburg, von der angenommen werden kann, dass der Petersberg gemeint gewesen ist.
Selbst wenn eine mittelalterliche Urkunde, die die Gründung des Klosters auf eine Initiative des Frankenkönigs Dagobert aus dem Jahre 706 zurückgeführt sehen möchte, aller Wahrscheinlichkeit nach eine (macht)interessengeleitete Fälschung darstellt, so lassen doch diverse Quellen und der gesicherte Nachweis eines Kanoniker- bzw. Collegiatstifts den Schluss zu, „[…] dass der Petersberg bevorzugtes Siedlungsgebiet von Geistlichen, wahrscheinlich in ununterbrochener Folge seit dem frühen 8. Jahrhundert, war.“
Dem Mainzer Erzbischof Siegfried I. ist es zu verdanken, dass das Kanoniker- rsp. Collegiatstift 1060 in ein benediktinisches Mönchskloster umgewandelt wurde. Damit begann der stetige Aufstieg dieser christlich-abendländischen Seelsorge- und Bildungsinstitution zu einem der eindrucksvollsten und mächtigsten mittelalterlichen Klosteranlagen in Deutschland.
1103 wurde mit dem Bau der Klosterkirche und des Klosters begonnen. Am 16. Juni 1147 wurde sie vom Erzbischof Heinrich I. von Mainz den Apostelfürsten Petrus und Paulus geweiht. Sie steht architektursprachlich und auch theologisch unverkennbar in der Tradition ihres Hirsauer Mutterklosters. Beide nehmen damit die Reformimpulse des französischen Stammklosters von Cluny auf.
1168 wurde der Petersberg in die erweiterte Stadtbefestigung einbezogen. Mit der Errichtung der St. Leonhardskapelle (heute nur noch in den Grundmauern, südlich des „Hauses 12“, sichtbar) im Jahre 1172 als „Leutekirche“ des Klosters erhielt der Petersberg eine weitere Ausweitung seiner geistigen, seelsorgerlichen und sozialen „Dienstleistungsfunktion“ für das Kloster und die Stadt Erfurt.
Die Abhaltung eines Reichstages unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa tauchte den Petersberg im Jahre 1181 in das Zentrum europäischer Symbol- und Machtpolitik. In der Peterskirche musste sich der Welfe Heinrich der Löwe dem Kaiser unterwerfen: vor den Oberen des Reiches und vor Gott. 1289/90 hält Kaiser Rudolph von Habsburg einen Reichstag auf dem Petersberg ab.
St. Peter war mit einem großen Kreis geistlicher Gemeinschaften in Mitteldeutschland vernetzt und zählte zu jenen fünf geistlichen Institutionen, die das weit frequentierte Erfurter „Studium Generale“ durchführten. „Erfurt wurde damit bereits vor der Universitätsgründung von 1392 zu einem der führenden Bildungszentren in Deutschland.“
Nach einer langen, fruchtbaren Entwicklungsphase zeigten sich im 13. und 14. Jahrhundert zunehmend
„[…] Symptome des Verfalls der regulären Observanz, der getreuen Beachtung der Benediktinerregel.“Die Kraft zur Erneuerung im 15. Jahrhundert kam nicht aus dem Kloster selbst. Erneut war es ein Mainzer Erzbischof, der – in engem Zusammenwirken mit der Stadt Erfurt, der Universität und der Anbindung Erfurts an das benediktinische Reformzentrum in Bursfelde – eine weithin ausstrahlende Erneuerung bewirken konnte. Der Aufbruch wurde 1451 gekrönt und gesichert mit dem Besuch des Kardinallegaten Nikolaus von Kues.
Bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts blieb die Abtei St. Peter ein wichtiges Reform- und Logistikzentrum der Bursfelder Kongregation. 1517, im Jahr des Thesenanschlags Martin Luthers, befand sich das Peterskloster in der Folge seiner Reformbemühungen auf einem Höhepunkt seiner Geschichte. Darum wurde es von den Ereignissen,
„[…] die sich in Erfurt als einer der Heimstätten der Reformation abspielten, unerwartet umso heftiger getroffen, als über das Kloster – aus benediktinischer Sicht – die >Katastrophe der Reformation< hereinbrach.“Eine historische Episode verdient besondere Erwähnung: Ende 1521 hatte sich mit Thomas Müntzer der mächtigste Gegenspieler Martin Luthers an das Erfurter Peterskloster mit der Bitte um Vermittlung einer Anstellung gewandt. Nach einer internen Auseinandersetzung erteilten Abt und Konvent von St. Peter & Paul im Dezember 1521 den benediktinischen Mitbrüdern und Stolberger Landsleuten von Thomas Müntzer die Erlaubnis, ihm ausführlich zu antworten und ihm eine Stelle im Peterskloster „[…] mit einem Jahresgehalt von 30 Gulden anzubieten.“ Der Die genaue Benennung der Stelle ist nicht überliefert, doch können wir – im Kontext eines mit der Bursfelder Reform erkennbaren Bemühen um einen ganzheitlich gebildeten „Klosterhumanismus“ – davon ausgehen, dass es sich hierbei um die Stelle eines Lehrers der Humaniora bzw. des studium generale (Geschichte, Latein, Studium der Heiligen Schriften wie der profanen Wissenschaften) gehandelt hat.
Auch wenn es (bislang) keinen schriftlichen Beleg dafür gibt, dass Müntzer diese Stelle angetreten hat, kann mit einiger Vorsicht davon ausgegangen werden, dass der heftig umstrittene und in existenziellen Nöten befindliche Radikal-Reformator eine solch verlockende Offerte der Petersberger Benediktiner nicht ausgeschlagen hat. Eine solche Tätigkeit wird zeitlich auf wenige Monate zu Beginn des Jahres 1522 begrenzt gewesen sein. Mit Bezug auf den „Schwärmer“ Thomas Müntzer ist es heute durchaus legitim, das Peterskloster und
die Peterskirche als einen besonderen Reformationsort innerhalb der Erfurter „Luther-Meile“ auszuweisen.
Nachdem die Peterskirche zu Beginn des 16. Jahrhunderts kurzzeitig ihre Funktion als Stätte des Gebets verloren hatte, wurde infolge der mit dem Hammelburger Vertrag eingeleiteten konfessionellen Ausgleichspolitik in der Stadt Erfurt das Chorgebet an St. Peter wieder aufgenommen. Das Kloster diente fortan als Rückzugs- und Sammlungsort für die verbliebenen Angehörigen der Bursfelder Kongregation im sächsisch-thüringischen Raum.
Der enorme Schub an individueller Frömmigkeit und bürgerlicher Emanzipation, der mit der lutherischen Reformation ausgelöst worden war, blieb nicht ohne Wirkung. Die Gegenreformation, insbesondere durch die Jesuiten vorangetrieben, konnte den Niedergang des Klosters verzögern, letztlich jedoch nicht aufhalten.
Martin Luther und Philipp Melanchthon haben das Ordensleben scharf kritisiert und (was kaum bekannt ist) grundlegend bejaht. Die Klosterreform-Anliegen, wie Luther sie bspw. in seinem „Sermon von dem hochwürdigen Sakrament […] und von den Bruderschaften“, in der „Adelsschrift“ oder in der „Vorrede zur Deutschen Messe“ skizziert, harren noch immer auf ihre theologisch angemessene interkonfessionelle Diskussion und Prüfung ihrer lebenspraktischen Realisierbarkeit (sieht man von Familien-kommunitären Ansätzen ab).
Ab 1631 (in verschiedenen Phasen bis 1707) erfolgte der fortifikatorische Ausbau des Petersberges durch die Schweden unter König Gustav II. Adolf mit dem Magdeburger Otto von Guericke als Festungsbaumeister. Unter schwedischer Residenz musste der Benediktinerkonvent das Kloster verlassen; die Kirche wurde (für einige Zeit) evangelisch.
1664 unternahm die Stadt Erfurt den Versuch, der jahrhundertelangen Vormundschaft zu entkommen und freie Reichsstadt zu werden. Der Mainzer Kurfürst und Erzbischof Johann Philipp von Schönborn vereitelte – in militärischer Allianz mit den Franzosen – diesen Emanzipationsversuch.
Am 1. Juni 1665 erfolgt die Grundsteinlegung für die (heutige) Citadelle: über der Stadt Erfurt und gegen sie. Die Festungsbauarbeiten wurden bis 1726 unter Mitwirkung des italienischen Baumeisters Antonio Petrini und des deutschen Maximilian von Welsch fortgesetzt. 1802 erhielt die Citadelle eine preußische Besatzung.
Das Peterskloster erlebte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – nicht zuletzt wegen seiner engen Verbindung und Zusammenarbeit mit der Universtität Erfurt – noch einmal eine späte Blüte. Seine damaligen Äbte bis hin zum letzten Abt Placidus Muth (1794-1803) waren führende Vertreter barocker Wissenschaft und Gelehrsamkeit, fungierten als Professoren, z. T. auch als Rektoren an der Erfurter Universität und konnten die berühmte Bibliothek von St. Peter nochmals erheblich erweitern.
Das Jahr 1803 markiert das Ende einer siebenhundertjährigen klösterlichen Nutzung und damit einer weitgehend öffentlichen Zugänglichkeit der Petersberges. Das Peterskloster wurde säkularisiert; die wertvolle Bibliothek, die einzigartigen Kunstschätze und das gesamte Kircheninventar wurden verschenkt bzw. verkauft.
1806 bis 1813 übernahmen französische Truppen die Festung. Der Kaiser Napoleon besichtigt die Citadelle und ordnet deren bauliche Verstärkung an. Beim Beschuss der französischen Garnision am 6. November 1813 durch die Preußen wurden das Peterskloster zerstört, die Peterskirche, die Leonhardikirche und mehrere Festungsgebäude erheblich beschädigt. 1814 übernahmen erneut preußische Truppen den Petersberg.
Auf Betreiben des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. erfolgte in den Jahren 1815 bis 1866 die dritte Festungsbau-Periode. Dazu gehörte auch der Bau der Festungsbäckerei und der Defensionskaserne. In die preußische Zeit, in das Jahr 1820, fällt auch die Niederlegung des Klosters und die bemerkenswerte architektonische Verstümmelung der Peterskirche. Die beiden Ost-Türme und der gesamte Obergaden dieser einzigartigen romanischen Basilika wurden abgerissen. Die Kirche wurde fortan als Mehl- und Militärmagazin genutzt.
1873 ordnete Kaiser Wilhelm I. die Entfestigung der Citadelle an, die allerdings aus Kostengründen nicht konsequent durchgeführt wurde. Bis 1964 – während des Nationalsozialismus und auch in Zeiten des „Real-Sozialismus“ – blieb der Petersberg einer militärischen Nutzung vorbehalten. Ab 1965 wurden die Funktionsgebäude durch staatliche und öffentliche Verwaltung genutzt. Die Peterskirche blieb Speicher bzw. (in der ersten Etage) Turnhalle, für die kasernierte Volkspolizei, für Truppen der „Nationalen Volksarmee“ (NVA) u.a.m.
Mit der friedlichen Revolution und Wende der DDR 1989/90 begannen umfangreiche Sanierungs- und Rekon-struktionsarbeiten. Dabei wurde dieses eindrucksvolle Beispiel der Festungsbaukunst mit beträchtlichen Mitteln gesichert, von störenden baulichen Zutaten befreit und – dank des großen Engagements der Petersberg-Bauhütte, der „Freunde der Citadelle Petersberg zu Erfurt e.V.“, des „Forums Konkrete Kunst“ und aller anderen Freundeskreise und Initiativen – in seiner fortifikatorischen Bau- und Landschaftsgestalt dem Besucher wieder zugänglich gemacht und als bedeutsamer Ort inmitten der Stadt wieder erfahrbar gemacht.
In die vorher vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) genutzte „Untere Kaserne“ zog die „Gauck-Behörde“ (heute: „Birthler-Behörte“) ein. D.h. die Nutzung dieses Hauses zur Erforschung und öffentlichen Nutzung der Hinterlassenschaften der zweiten deutschen Diktatur ließ den Petersberg zu einem Ort der Erinnerung und zeitgeschichtlichen Auseinandersetzung werden.
1992 wurde auf Anregung von Jürgen Blum-Kwiatkowski in der Peterskirche ein „Forum konkrete Kunst“ eingerichtet, das sich unter Leitung von Heidi Bierwisch ein gewisses überregionales Ansehen erworben hat.
Matthias Werner kommt in einem kleinen Exposé zu dem Schluss, dass im Wechsel der Zeiten die romanische Stifts- und Klosterkirche zwar „[…] durch den Umbau in ein Militärmagazin und durch den Abbruch der Türme und der Wände bis zur Seitenschiffhöhe empfindliche Einbußen“ erlitten habe. Insgesamt sei jedoch festzuhalten:
„Doch auch in dieser Form ist die Basilika von St. Peter noch immer der früheste und am besten erhaltene Großbau hirsauischer Klosterbaukunst auf deutschem Boden und als solche ein einzigartiges künstlerisches und historisches Zeugnis. Zugleich stellt sie den ältesten kirchlichen Großbau in Thüringen dar. Diese Tatsache ist im allgemeinen kulturellen Gedächtnis Thüringens meist ebenso wenig präsent wie die überragende Stellung, die der Petersberg als eines der ältesten und am längsten bestehenden spirituellen Zentren in Thüringen und als eines der bedeutendsten Benediktinerklöster Deutschlands besaß.“
Rolf Berger: Die Peterskirche auf dem Petersberg zu Erfurt (Beiträge zur Kunstgeschichte Bd. 10), Witterschlick/ Bonn 1994, S. 9.Vgl. außerdem: 700 Jahre Erfurter Peterskloster. Geschichte und Kunst auf dem Erfurter Petersberg 1103-1803 (Jahrbuch der Stiftung Schlösser und Gärten 2003), Rudolstadt 2004 und Christian Misch: Das Peterskloster, Artikel in: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt, Nr. 29 01/2006, S. 8-11.Ebd., 10. Siehe auch: Matthias Werner: Gab es ein klösterliches Leben auf dem Erfurter Petersberg schon im Frühmittelalter?, in: 700 Jahre Erfurter Peterskloster…, S. 44-53.Matthias Werner: Das Erfurter Peterskloster. Exposé, vom 28.4.2008, vom Vf. freundlicherweise zur Verfügung gestellt.Elke-Ursel Hammer: Vom Bursfelder Reformzentrum zum Kloster in reformatorischen Bedrängnis – die Abtei St. Peter in Erfurt im 15. Und 16. Jahrhundert, in: 700 Jahre Erfurter Peterskloster…, S. 135.Hammer, Vom Bursfelder Reformzentrum…, S. 137: „Für mehrere Tage war der Petersberg als Schauplatz der Prachtentfaltung kurialer öffentlicher Messen im Blickpunkt des Reiches.“Ebd, S. 140.Johannes Halkenhäuser: Kirche und Kommunität. Ein Beitrag zur Geschichte und zum Auftrag der kommunitären Bewegung in den Kirchen der Reformation. Paderborn 1985.Martin Luther: „Ein Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi und von den Bruderschaften“ (1519), in: Martin Luther Werke (Bd. II), Frankfurt am Main 1983, S. 52-77.Matthias Werner: Das Erfurter Peterskloster, Exposé, vom 28.4.2008, 2.Siehe: www.forum-konkrete-kunst-erfurt.deMatthias Werner: Das Erfurter Peterskloster. Exposé, 2; vgl. hier besonders den Vortrag von Matthias Werner anlässlich des Patronatsfestes und der Einsegnung der Collegiatsleitung vom 29.06.2009, unter der Überschrift: „Damit die Gläubigen einen Ort der Zuflucht finden (1143) - Der Petersberg als Zentrum religiösen Lebens im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erfurt“, den ganzen Text, siehe: www.collegiat-erfurt.de